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Mit mehr als einer Milliarde Dollar Umsatz war es eines der erfolgreichsten Computerspiele überhaupt: Der Ego-Shooter Call of Duty – Black Ops verkaufte sich 2010 in den ersten 24 Stunden rund 5,6 Millionen Mal. Am heutigen Freitag stellt die Entwicklerfirma Activision den Nachfolger Black Ops II in München vor. Die Lust an solchen Shootern ist ungebrochen, auch wenn das neue Spiel wegen seiner jugendgefährdenden Inhalte erst ab 18 Jahren zu haben ist. Andere Hersteller umgehen die strengen Auflagen der deutschen Prüfstellen, die sich über die Jahre stark verändert haben.

Schon 1994 versammelten sich zwölf Experten im Auftrag der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), um über das Schicksal des Computerspiels Doom zu entscheiden. Nachdem sie Monster, Schädelberge und aufgespießte Extremitäten zu sehen bekamen, beschlossen sie eine Indizierung. Das Spiel ziele auf „ein beim potenziellen Nutzer vermutetes sadistisches Interesse“ ab, auch weil das Geschehen so echt wirke. Heute gilt der Doom als eines der wichtigsten Werke der Videospielgeschichte und kulturelles Artefakt.

Was damals wirklichkeitsnah und gruselig war, ist heute allenfalls abstrakt, die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Die Grafik aktueller Computerspiele nähert sich in Trippelschritten dem Fotorealismus an, die Figuren, ihre Bewegungen und ihr Verhalten werden immer menschenähnlicher. Zwar macht eine bessere Grafik ein Spiel nicht immer überzeugender, und alte Inhalte sind nicht automatisch unbedenklich, aber das gefühlte Verfallsdatum von Games ist niedriger als bei Filmen.

Jugendschützer müssen deswegen stets neu austarieren, wo und warum die Schere anzusetzen ist. Deutschland besitzt im weltweiten Vergleich sehr strenge Jugendschutz-Richtlinien in Bezug auf Computerspiele. Die Gewalttaten von Erfurt oder Winnenden haben den Fokus auf interaktive Medien verstärkt. Da beide Täter Ego-Shooter auf ihren Rechnern hatten, wurde lange über einen Zusammenhang zwischen den Morden in der digitalen und der realen Welt diskutiert

Schutz der Zivilbevölkerung

2011 wurden 59 Computerspiele indiziert, mehr als in den Vorjahren, was die Bundesprüfstelle mit dem Marktwachstum erklärt. Eine Indizierung kommt dabei nicht einem Verbot gleich. Spiele, die auf die Liste jugendgefährdender Medien kommen, dürfen nicht im öffentlichen Raum beworben und verkauft werden. Sie landen in der Schmuddelecke der Videothek. Um eine Altersfreigabe zu ergattern, werden deswegen Änderungen vorgenommen – weshalb es, neben der internationalen, oft eine deutsche Version von Spielen gibt.

Im Horror-Spiel The Darkness 2 beispielsweise wurden zahllose Animationen, die das Zerreißen oder Pfählen von Gegnern zeigen, komplett entfernt. Verhindert wurde auch das Töten von Figuren, die sich ergeben hatten. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist auch für die virtuelle Kriegsführung ein Thema. In der ungeschnittenen Version des Egoshooters Call of Duty: Modern Warfare 2 kann der Spieler in einem Flughafengebäude auf Zivilisten schießen. In der deutschen Version wurde das mit sofortigem Spielabbruch sanktioniert. Trotzdem ist der Militär-Shooter nur unter der Ladentheke erhältlich.

Bei Max Payne 3 wurden unbewaffnete Diskobesucher schlicht immun gegen Kugeln. Max Payne 3 ist für Volljährige freigegeben. Subtiler ist der Eingriff in das Action-Game Saints Row: The Third. Tötet der Spieler hier einen Unbeteiligten, wird er in der deutschen Version sofort von der Polizei verfolgt.

Die internationale Ausgabe des Spiels ist weitaus gewalttätiger. Geschnitten werden auch Ragdoll-Effekte, also das Zucken von lebenden oder toten Körpern, und damit auch jede Art von Leichenschändung. Außerdem darf das Töten von Gegnern weder mit Punkten noch mit virtuellem Geld belohnt werden.

„Ein Spiel wird als Gesamtwerk geprüft“, sagt Lidia Grashof von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). „Die Einbettung virtueller Gewalthandlungen in eine Rahmengeschichte spielt eine große Rolle bei der Entscheidungsfindung.“ So ist das Rollenspiel Fallout: Las Vegas frei erhältlich, weil es neben brutalen Szenen auch gewaltfreie Spielelemente aufweist.

„Es ist zu prüfen, welchen prozentualen Anteil die Gewalt im Spiel hat“, sagt Petra Meier von der Bundesprüfstelle. Dabei komme es darauf an, ob die nicht gewalthaltigen Bestandteile jene Gewaltszenen relativieren könnten, die eine Indizierung verlangten.

Relativierend ist bei Doom – das 2011 vom Index genommen wurde – vor allem die Grafik. Pixelblut und flächige Texturen verbreiten so viel Schrecken wie Dinosaurierskelette. Die USK hat dem Rechnung getragen und eine Empfehlung „ab 16 Jahre“ ausgesprochen. Auch wenn es eher von denen gespielt werden dürfte, die in den Neunziger Jahren 16 waren.

Erschienen im Tagesspiegel und auf Zeit.de