Zum Inhalt springen

Gute Computerspiele brauchen keine Hochglanzgrafiken. Aber was ist mit Spielen, die gar keine Grafik besitzen? In Blowback sind die Räume und Figuren unsichtbar, und erst durch Geräusche, Stimmen und die Phantasie des Spielers erwachen sie zum Leben. Blowback: Die Suche ist ein kostenloses Audio-Spiel für Tablets und Handys, eine Art Adventure für die Ohren. Es wurde zusammen mit dem linearen Hörspiel Blowback: Der Auftrag, das in der Nacht von Sonntag auf Montag um 0:05 Uhr erstmals gesendet wird, von Deutschlandradio entwickelt. Sein Vorbild sind Titel wie Blindside oder Papa Sangre.

Auf den ersten Blick wirkt Blowback unspektakulär: ein schwarzer Handy-Bildschirm, darauf eine Kompassrose mit zwei Schuhabdrücken. Drückt man abwechselnd mit den Daumen auf die Schuhe-Symbole, bewegt sich die investigative Journalistin Julia Kourim – sie ist eine der Hauptfiguren – durch das fiktive Unterwasserhotel DIMAH. „Tapp, tapp“ macht es dann. Oder „klock, klock“. Je nachdem, ob sie auf Parkett oder kaltem Metall läuft.

In Blowback dienen ausschließlich Geräusche zur Orientierung: eine knarrende und quietschende Tür hinten links, das Surren eines Luftschachts vorne rechts, der Singsang einer Krankenschwester, die einen Service-Wagen durch den Raum schiebt. Im ersten Level muss der Spieler einen Lift erreichen, der von der Hotel-Lobby in den Pool-Bereich führt. Der Aufzug macht „Ding“ und klingt hell wie eine kleine Glocke. Dieses Geräusch, der sogenannte Keysound, wird den Spielern noch häufiger begegnen.

„Blowback“ erfordert Konzentration

Mit zwei Fingern dreht man, konzentriert lauschend, die Kompassrose in die Richtung, in der man den Ursprung des Glockenklangs vermutet und läuft darauf zu. Tapp, tapp, tapp, tapp. Verfehlt man das Ziel, ermahnt einen eine Stimme: „Das ist die Wand, hier geht es nicht weiter.“ Ist der Lift erreicht, geht es ein Ebene hinunter. So ist das ganze Spiel aufgebaut: Ein Level ist ein Stockwerk, dessen Ausgang man, dem Keysound folgend, zustrebt.

Mal gilt es, einen Pool zu umrunden, und nur das „Plitsch-Platsch“ der eigenen Schritte macht einen darauf aufmerksam, dass man dem Beckenrand gefährlich nah ist. Mal patrouillieren Wachen in einem Korridor, die sich über ihre Vorgesetzten beschweren und einen natürlich nicht entdecken dürfen. Das klingt simpel, doch Blowback ist keinesfalls ein casual game, das sich mal eben nebenbei in der S-Bahn spielen lässt. Der Schwierigkeitsgrad steigt, je weiter die Spieler durch die Stockwerke des Unterwasserhotels voranschreiten. Es braucht viel Geduld sowie, ganz wichtig, Kopfhörer und eine ruhige Umgebung.

Im  traditionellen Hörspiel-Part von Blowback tauchen bekannte Stimmen auf, etwa Manfred Lehmann, der deutsche Synchronsprecher von Bruce Willis. Die österreichische Hörspiel-Autorin Elisabeth Putz lieferte die Geschichte – einen Science-Fiction-Thriller über den Kampf um die letzten Trinkwasser-Reserven der Menschheit im Jahre 2047.

Für die Programmierung war die Forschergruppe Creative Media der Hochschule für Technik und Wissenschaft in Berlin zuständig. Philip Steimel, Mitglied derTheatergruppe Machina Ex, steuerte das Leveldesign hinzu. Gemeinsam tüftelten die Macher aus, inwiefern die Geschichte der Autorin spielerisch umgesetzt werden konnte und wo die Story den technischen Möglichkeiten angepasst werden musste.

Die veränderte Mediennutzung trifft langsam auch das Radio

Die Technik, mit der die Klangräume erschaffen wurden, ist alles andere als neu. Bereits 1973 wurde in Deutschland das erste Hörspiel gesendet, das einen Raumklang mithilfe der sogenannten binauralen Tonaufnahme simulierte. Hierzu werden zwei Mikrofone in den Ohren einer Büste in Form eines menschlichen Kopfes installiert. Der Effekt gleicht in etwa dem Raumklang, wie man ihn heute von Heimkino-Anlagen mit fünf oder sieben Lautsprechern kennt.

„Der Binauraleffekt ist wie 5.1, nur andersrum. Man versucht das Ohr dahin zu bringen, wo der Sound ist“, erklärt Florian Conrad, einer der Programmierer vonBlowback. Um Kunstkopf-Aufnahmen richtig wahrzunehmen, sind Kopfhörer dringend erforderlich. Die waren in den siebziger Jahren aber kaum verbreitet, weswegen die Technik in Vergessenheit geriet. „Damals war die Zeit einfach noch nicht reif. Heute hat jeder Kopfhörer und Mobiltelefone, die gleichzeitig auch Medienabspielgeräte sind“, sagt Conrad.

Blowback richtet sich zwar sowohl an traditionelle Radiohörer als auch an Videospieler. Doch vor allem die Akzeptanz von jüngeren Nutzern dürfte für die Radiomacher interessant sein. Denn obwohl der Medienwandel das Radio noch weitgehend unangetastet ließ, ändert sich die Mediennutzung der 14- bis 29-Jährigen. Das festinstallierte Radio gilt quasi als abgeschafft. Sendungen und Podcasts werden direkt gestreamt oder vorab geladen, für Nachrichten, Wetter- oder Verkehrsmeldungen gibt es entsprechende Apps.

Hörspiele dagegen gelten, im Gegensatz zu Hörbüchern, eher als antiquiert. Das Deutschlandradio setzt diesem Trend Formate bereits wie Radioortung entgegen, das eine Nutzung von GPS in ein lineares Hörspiel einbindet. Auf Radio Fritz gibt es mit dem Radiorollenspiel eine Mischung aus Krimi, Hörspiel und Rollenspiel, die Zuhörer per Liveschalte mit in die Erzählung einbindet.

Im Fall von Blowback sollen Audiogame und Hörspiel unabhängig voneinander funktionieren. Doch ist es empfehlenswert, das lineare Hörspiel Blowback: Der Auftrag als Ouvertüre für das Audio-Game zu begreifen. Das Hörspiel wird am 19. Januar um 0:05 Uhr auf Deutschlandradio Kultur urgesendet. Die AppBlowback: Die Suche erscheint zunächst für iOS, später auch für Android.

Erschienen auf Zeit Online