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Klimatisierte Räume, ein anständiger Kaffee, funktionierendes W-Lan und Mitarbeiter-Yoga sind die Eckpfeiler der Großraumbüro-Behaglichkeit. Doch genau die wird von Fabian Dittrich, Dominic Brasovneau und Vin Tran tunlichst gemieden, die mit ihrem Start-Uphelpando.it durch Südamerika reisen. Denn die drei Gründer wollen beweisen, dass man überall produktiv sein kann, ob im Amazonas-Dschungel oder in einem Internetcafé mitten im Nirgendwo.

Braucht der Motor ihres Land Rovers mal wieder eine Pause, sitzen sie am Straßenrand der Panamericana und skypen mit Kunden, während gigantische Trucks an ihnen vorbeiziehen. Das sind Abenteuergeschichten, mit denen man jede Afterwork-Party zum Ausrasten bringt. „Wir waren sechs Tage am Stück auf der Straße, da freut man sich, endlich wieder in eine Stadt zu kommen“, tippt Fabian Dittrich in den Facebook-Chat. Die Sehnsucht nach der Komfortzone.

Die Komfortzone, auf die Dittrich sich freut, ist Lima, die Hauptstadt von Peru. Dort gibt es 8,5 Millionen Menschen und heiße Duschen. Außerdem wurden die Berliner in die Zentrale von Wayra eingeladen, dem Accelerator des Telekommunikations-Riesen Telefónica, um Gründer aus aller Welt zu treffen. Peru ist politisch stabil und boomt wirtschaftlich, nun will das Land sich für Jungunternehmer aus aller Welt aufhübschen.

„Abenteuergeschichten, mit denen man jede Afterwork-Party zum Ausrasten bringt“

Private Förderprogramme wie das der Telefónica locken mit 50.000 Dollar und hoher Lebensqualität vor Ort. Die Arbeitsplätze sind kostenlos, die Strände perfekt zum Surfen, und wer einmal mit Limettensaft marinierten Fisch probiert hat, will nie wieder weg. Ziel ist es, eine Startup-Kultur zu etablieren, in der sich Gründer aus den USA und Europa mit Einheimischen zusammentun — und sei es nur, um in der Kaffeepause Erfahrungen auszutauschen.

„Ich denke, das wirtschaftliche Ökosystem Perus ist endlich aktiviert worden“, so Alex Gómez, der Manager von Wayra Peru, einem örtlichen Startup-Accelerator. „Investoren, Jungunternehmer, die Regierung und private Fördereinrichtungen ziehen an einem Strang.“

Einer, der davon profitiert, ist Domingo Seminario aus Madrid. Seminario ist eigentlich Architekt, doch inzwischen leitet er das operative Geschäft von joinnus, einem Veranstaltungs-Guide mit integriertem Ticket-Verkauf. „Zuerst mussten wir ein ewig langes Formular ausfüllen, dann ein Bewerbungsvideo produzieren, dann durch einige Präsentationen kämpfen. Und schließlich wurden wir angenommen, unter 1500 Bewerbern.“

„Warten auf den Investoren, der sich mit einem sechsstelligen Betrag beteiligt“

Das war 2013. Inzwischen gehören sie quasi zum Inventar des Accelerators. Sie helfen den Neuankömmlingen und warten auf den passenden Investor, der sich mit einem sechsstelligen Betrag an ihrem Geschäft beteiligt. Dumm nur, dass ernsthafte Kandidaten rar gesät sind, schließlich war Peru bis vor kurzem ein weißer Fleck auf der Landkarte des Risikokapitals.

Erst 2012 wurde ein staatliches Förderprogramm ins Leben gerufen. Als Vorbild diente Chile. Das Nachbarland umwarb viele Firmengründer so erfolgreich, dass es nun zu den Top-Adressen im lateinamerikanischen Wirtschaftsraum gehört. Davon ist Peru noch weit entfernt.

Auch Carol Gilles Riboud von Busportal zieht derzeit ein Business in Lima auf. Der 29-Jährige Pariser wohnt seit vier Jahren in Peru, das sich ihm als risikoscheu und investitionsfeindlich präsentierte, mit bezaubernden Bergpanoramen, aber schwachen Institutionen. Banken etwa wagen es nicht, Innovatoren zu unterstützen, weil Neues sofort kopiert wird und alteingesessene Industrien wenig Erfahrung mit digitalen Dienstleistern haben.

„Wir wollten auf unserer Plattform Busportal Tickets der nationalen Buslinien verkaufen, mussten aber die Busunternehmen erst einmal davon überzeugen, dass wir ihnen kein Geld stehlen wollen“, so Riboud. Anfangs verkaufte sein Startup 15 Tickets im Monat, inzwischen wurden die Datensätze aller großen Verkehrsunternehmen integriert und Riboud muss nicht mehr von Nudeln mi Ketchup leben. Bald will er in andere Länder Lateinamerikas expandieren.

Es gibt sie also bereits, die ersten Erfolgsstories. Media Naranja etwa ist eine Dating-Website, Cursos Totales wiederum vereint die Angebote von Bildungsportalen, und das digitale Medienunternehmen peru.com wurde von einem großen Verlag gekauft. Es herrscht Aufbruchstimmung in den Anden.

„Ein Schüleraustausch, bei dem die Startup-Kultur gefördert werden soll“

Das ist zwar aufregend, aber nicht gerade gewinnbringend. So sieht es zumindest Tim Delhaes. Der Deutsche ist das, was man einen Serial Entrepreneur nennt. Mit 19 Jahren zog er nach Chile und gründete seine erste Firma, inzwischen pendelt er zwischen Südamerika und dem Silicon Valley hin und her.

„Peru ist das nächste aufstrebende Land, es ist zwar viel ärmer als Chile oder Argentinien, aber hoch motiviert“, sagt der 39-Jährige. „Jetzt geht es darum, den Standort zu promoten.“ Er attestiert dem Land, Schritte in die richtige Richtung zu machen. So will der Staat nun mehr als 230 Millionen Euro bereitstellen, um Startups zu fördern.

Es ist unwahrscheinlich, dass dabei ein Weltkonzern „Made in Peru“ herauskommt, aber das ist auch nicht das primäre Ziel der Anstrengungen. Delhaes sieht das Ganze als sei Teil einer Marketingstrategie. „Es ist eine Imagekampagne, so wie ein Schüleraustausch, bei dem die Start-Up-Kultur gefördert werden soll. Investieren würde ich unter den existierenden Strukturen noch nicht.“

Für Fabian Dittrich und seine beiden Kollegen hingegen ist es ideal. „Wir werden hier mit offenen Armen empfangen, alle sind supernett und helfen sich aus. In San Francisco jobben ja sogar die Uber-Taxifahrer noch in irgendeinem Startup. In Peru trinkt man mit den CEOs abends ein Bier. Es ist ein bisschen so wie früher.“

Erschienen auf Wired.de