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Im September erscheint mit „FIFA 16“ der neueste Teil der erfolgreichsten Sportspielreihe der Welt. WIRED Germany hatte die Gelegenheit, die Fußball-Simulation schon jetzt anzuspielen. Der erste Eindruck war wirklich sehr erfreulich — denn anstatt tolle neue Features einzuführen, hat EA Sports das Gameplay in jedem Mannschaftsteil feinjustiert.

 Kraftvoll und elegant sprintet Cristiano dem Ball hinterher und lässt Freund und Feind hinter sich. „Lauf, Cristiano, lauf!“, schallt es glockenklar durch die Kinderzimmer dieser Welt. Und das tut der Portugiese dann auch, schneller als alle anderen, er schießt und trifft und wendet sich dem Blitzlichtgewitter zu, verschränkt die Arme zu einem neuen Torjubel, den er vorher einstudiert hat.

Die sogenannte künstliche Intelligenz machte das Spiel oft zum Ärgernis

Diese Szene ist symptomatisch für den Fußball der Saison 2014/15 und sie brachte Menschen wie Aaron McHardy zum Nachdenken. „Letztes Jahr war es zu einfach, mit einem Steilpass schnelle Spieler wie Cristiano Ronaldo und Messi zu finden und dann den Gegner einfach zu überlaufen“, sagt er. Und das darf es so nicht geben, findet er. Nicht bei einem Fußball-Spiel wie „FIFA 16“, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, möglichst authentisch zu sein.

Aaron McHardy wäre selbst beinahe mal Fußball-Profi geworden, eine schwerwiegende Verletzung ließ diesen Traum platzen. Aber durch seinen jetzigen Job besitzt er womöglich mehr Einfluss darauf, wie Fußball auf der ganzen Welt wahrgenommen wird, als wenn er bei Manchester United groß rausgekommen wäre. Denn der Kanadier ist einer der führenden FIFA-Game-Designer bei Electronic Arts und verantwortlich für die Spielmechanik, das Herzstück des Spiels. Entscheidend ist schließlich auf’m Platz, das gilt auch für den digitalen Sport, egal welche Spielmodi es drumherum gibt. Und auf dem Platz kamen die Ronaldos, Messis und Robbens in früheren „FIFA“-Teilen zu leicht zum Torerfolg, und die vom Computer gesteuerten Mitspieler verhielten sich schlicht zu dämlich.

Unbeteiligt standen sie in der Gegend herum, während neben ihnen ein Gegenspieler in aller Seelenruhe den Ball führte. Ein Unding im echten Fußball. Weltklasse-Torhüter ließen im Hechtsprung das Leder halbhoch durch ihre Arme gleiten oder stürmten bei hohen Anspielen unmotiviert aus dem Kasten. Dem echten Manuel Neuer würde das nicht passieren. Die Computer benutzten wieder und wieder die gleichen Angriffsmuster und liefen die Seitenlinie entlang, um sich dann von der Eckfahne in den Strafraum hineinzuwursteln.

Ja, diese sogenannte künstliche Intelligenz konnte das Spiel manchmal zu einem richtigen Ärgernis machen. Das hielt Menschen freilich nicht davon ab — beflügelt durch den Gewinn der Weltmeisterschaft — „FIFA 15“ in Deutschland zum meistverkauften Spiel des letzten Jahres zu küren. Ein Erfolg, den man wiederholen möchte, auch wenn die Stamm-Marke „FIFA“ durch die groteske Selbstbereicherung der Fußball-Funktionäre etwas an Stahlkraft eingebüßt haben dürfte.

Jetzt stellen die Verteidiger die Räume endlich besser zu

Der Nachfolger „FIFA 16“ erscheint voraussichtlich im September, versehen mit einer Flut neuer Features. Damit sind nicht etwa dieerstmals spielbaren Frauen-Nationalmannschaften gemeint, die im Netz für einen peinlichen Shitstorm sorgten, der sein unrühmliches Ende in allerhand Küchenwitzen nahm. Sondern Neuerungen wie „Defend as a Unit“ und „Defensive Agility“, Interception Intelligence“ und „Passing with Purpose“, „No Touch Dribbling“ und „Clinical Finishing“. Hinter diesen drolligen Marketing-Floskeln stecken viele kleine Verbesserungen, die vor allem das Defensiv-Verhalten der computergesteuerten Spieler verändern und den Cristiano-Ronaldo-Fans dieser Welt mehr Variabilität abverlangen sollen.

Von der KI gesteuerte Verteidiger erkennen jetzt etwa Lücken in der eigenen Abwehr und stellen die Räume besser zu. Sie vollziehen schnelle Richtungswechsel, um Angriffe zu antizipieren. Im Mittelfeld versuchen die Spieler vermehrt, Pässe abzufangen, offenbaren dabei aber auch gefährliche Lücken, in die der Angreifer stoßen kann. Um dem vorzubeugen, sind harte und präzise Pässe nun leichter auszuführen, man muss nicht erst dreimal schnell hintereinander einen Knopf drücken.

50 Tore pro Saison dürften Ronaldo jetzt schwerfallen

Im Endeffekt ist das Gameplay von „FIFA 16“ so, wie das von „FIFA 15“ hätte sein sollen. Enttäuschend ist das nur auf den ersten Blick, denn immerhin wurde nichts verschlimmbessert. Bei wem der Vorgänger im Laufwerk rotierte, der muss sich nicht an eine komplett neue Handhabe und ein neues Timing gewöhnen. Anstatt das Gameplay auf den Kopf zu stellen, wurde tatsächlich an vielem kleinen Stellschrauben gedreht. Das Spielgeschehen wirkt kompakter und realistischer, so viel kann nach den paar Stunden gesagt werden, in denen WIRED Germany eine Vorabversion anspielen konnte.

 

Die Frauenmannschaften spielen sich ein wenig langsamer und undynamischer, ihr Stellenwert dürfte über den eines (begrüßenswerten) emanzipatorischen Gimmicks wohl leider nicht hinausgehen. Dass sich die Haare der Spieler nun endlich physikalisch korrekt verhalten? Geschenkt. Dass mit Wolf Fuss ein neuer deutschsprachiger Kommentator gewonnen wurde? Der wird früher oder später bei vielen sowieso stumm gestellt.

Und Cristiano Ronaldo? Wird sich hoffentlich mehr anstrengen müssen, um seinen Sixpack in die Kameras halten zu dürfen. Selbst wenn der Weltstar im echten Leben tatsächlich auf 50 Tore pro Saison kommt — im neuen „FIFA“ dürfte es ihm schwerer fallen.

Erschienen auf Wired.de