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Ich habe mir vorgenommen, die abermalige, fünfte Auflage von „Guitar Hero“ ausdrücklich nicht zu mögen. Das war der Vorsatz, mit dem ich mir eine meiner Plastik-Gitarren umgeschnallt habe. Wohlgemerkt: eine meiner Gitarren. Ich habe viele, habe welche für „Guitar Hero“ und „Rock Band“, für Xbox und Playstation. Sie sind die logische Weiterentwicklung der Luftgitarre. 

Zudem sind sie partytauglicher. Und als sie dann noch mit Karaoke kombiniert wurden und meinem Drang zum Trockentrommeln ein Ventil gaben, hielt ich diese Spiele für eine der größten Erfindungen der digitalen Bespaßung. Nun habe ich aber das Gefühl, dass man den Goldesel mit seinen eigenen Exkrementen füttert, damit er weiterhin Hochkarätiges in die Eimer von Activision und MTV Games kacken kann. Und jeder, der mal ein verlängertes Wochenende in einem Fahrstuhl verbracht hat, weiß um den rapiden Nährwerteverlust, der Eigenurin im fünften Aufguss widerfährt.

Zugegeben, die Analogie ist zwar eklig, aber nicht wirklich weiter erklärungsbedürftig. Gerade weil man sich seine Lieblingssongs auch über die Online-Portale der beiden großen Plattformen gegen knapp 2 Euro pro Song downloaden kann, tut es gar nicht Not, immer wieder neue Retail-Versionen auf den Markt zu schmeißen. Natürlich wollen sie – Gott vergelt’s ihnen – alle nur ihre Brötchen verdienen.

Ganz ohne Nährstoffe

Doch die „Greatest Hits“-Version des Spiels und der peinliche Versuch, dass Genre auch auf das Nintendo DS zu transportieren, hinterließen einen bitteren Beigeschmack im Mund. Kein Wunder, so ganz ohne Nährstoffe. Daher begab ich mich eher missmutig ans Werk, um eine „Guitar Hero“-Klatsche zu schreiben. Es beginnt mit dem Video-Intro und diesen ewig gleichen Hard-Rock-Karikaturen, die selbst mein 3jähriger Neffe uncool finden würde. Alles so bunt, so unerwachsen…und da, ach, man kann wohl direkt in einen Song einsteigen, bevor überhaupt das Menü mit seiner doofen Comic-Schrift ins Bild kommt. Na gut.

„Younk Funk“ von The Derek Trucks Band. Ich spiele die ersten Noten. Und spiele schlecht. Meine Finger greifen die bunten Knöpfe ungelenk und mit dem falschen Timing. Es knackt nur. Als das Laufband und damit der Song an mir vorbeiziehen, die Tonspur mich auslacht und die nicht aktivierten Samples mich anschweigen, kriege ich schlechte Laune. Doch da, mein erster Akkord, der sitzt. Der warme, bluesige Sound des Instruments hört sich toll an. Plötzlich geht alles ganz schnell. Ich treffe die grünen, roten, gelben und blauen Noten immer besser. An die orangenen traue ich mich noch nicht ran. Bei langgezogenen Noten benutze ich das Tremolo und wippe mit dem Beat.

Botox Babi3s

Ich lasse das Instant-Game hinter mir, erstelle wacker einen Avatar und gründe eine Band, die Botox Babi3s. Mein Sänger ist ein dünnes Glamrock-Männchen, der Basser ein breiter Wikinger mit Büffelhörnern auf den Schultern. Song um Song spiele ich im Karriere-Modus frei. Dass Elton Johns „Saturday Night’s Alright (For Fighting)“ aufgeführt ist, wundert mich ebenso wie das Auftauchen von Funknummern Stevie Wonders und David Bowies. Ich finde sie jedenfalls großartig. Für jede schlechte Band gibt es mindestens eine, die mir gefällt. Nach einer Weile erinnere ich mich daran, das Spiel schlecht finden zu wollen. Also breche ich den Karriemodus ab und schaue im Menü nach dem Rechten.

„Younk Funk“ von The Derek Trucks Band. Ich spiele die ersten Noten. Und spiele schlecht. Meine Finger greifen die bunten Knöpfe ungelenk und mit dem falschen Timing. Es knackt nur. Als das Laufband und damit der Song an mir vorbeiziehen, die Tonspur mich auslacht und die nicht aktivierten Samples mich anschweigen, kriege ich schlechte Laune. Doch da, mein erster Akkord, der sitzt. Der warme, bluesige Sound des Instruments hört sich toll an. Plötzlich geht alles ganz schnell. Ich treffe die grünen, roten, gelben und blauen Noten immer besser. An die orangenen traue ich mich noch nicht ran. Bei langgezogenen Noten benutze ich das Tremolo und wippe mit dem Beat.

Austauschstimme aus Nebraska

Ich lasse das Instant-Game hinter mir, erstelle wacker einen Avatar und gründe eine Band, die Botox Babi3s. Mein Sänger ist ein dünnes Glamrock-Männchen, der Basser ein breiter Wikinger mit Büffelhörnern auf den Schultern. Song um Song spiele ich im Karriere-Modus frei. Dass Elton Johns „Saturday Night’s Alright (For Fighting)“ aufgeführt ist, wundert mich ebenso wie das Auftauchen von Funknummern Stevie Wonders und David Bowies. Ich finde sie jedenfalls großartig. Für jede schlechte Band gibt es mindestens eine, die mir gefällt. Nach einer Weile erinnere ich mich daran, das Spiel schlecht finden zu wollen. Also breche ich den Karriemodus ab und schaue im Menü nach dem Rechten.

Der Tutorial-Modus erklärt mir lang und breit mit einer Stimme aus dem Off, wie ich und meine Bandkollegen mit Starpower das Punktekonto ganz nach oben pushen. Die Stimme klingt wie ein Deutscher, der mal ein Jahr als Austauschschüler in Nebraska war und jetzt sein Geld damit verdient, dass er das R so schön amerikanisch aussprechen kann. Jedes mal, wenn er „Starpower“ sagt, denke ich an „Warner Brothers Movie World“ und mein Skrotum zieht sich zusammen. Ich besuche kurz das „GHStudio SM“ und stelle fest, dass sich Programme zur digitalen Musikbearbeitung besser mit einer Maus steuern lassen als mit einer Plastikgitarre. Die Benutzerfreundlichkeit grenzt an Quälerei, und ich beginne mich zu fragen, wofür SM wohl stehen mag. Immerhin kann man Activision den Idealismus anrechnen, Kinder mit dem Spiel an Studiotechnik heranführen zu wollen.

Sucht euch jemanden anderes

Dann spiele ich wieder weiter, aber jetzt Schlagzeug. Ich schließe das “The Beatles: Rock Band”- Set an und erfreue mich an der uneitlen Kompatibilität des Spiels. Sie sorgt dafür, dass mein kleines Flippers-Drumset sofort erkannt wird und einsatzbereit ist. Währenddessen sorgt “GH5″ dafür, dass ich im Profi-Schwierigkeitsmodus ganz schön ins Schwitzen komme. Als Drummer ist das Beatles-Spiel kaum eine Herausforderung, “Guitar Hero” hingegen besitzt einen knackigeren Schwierigkeitsgrad. Ich schalte einen Gang runter und trommel entspannt vor mich hin.

Was bleibt? Nichts von Wert. Ich bin scheinbar nicht in der Lage, mich mit kritischer Distanz einem Spiel zu nähern, das man mit Plastikinstrumenten rockt. Dafür verkörpert es zu sehr das, was ich unter Spielspaß verstehe. Egal, wie viel Geldmacherei und fader Eigenurin-Beigschmack in unnützen Add-Ons und Handheld-Variationen liegen mag. Ehrlich: Sucht euch jemanden anderes. Einen, für den Musik ein heiliger Gral ist, den es mit professoralem Ernst zu hüten gilt. Der sagt, die Zeit, die man mit einem Spiel verschwendet, könne man lieber in das Erlernen eines echten Instruments stecken. Dem das sklavische Nachspielen von Songmustern die innere künstlerische Freiheit raubt. Ich bin mir sicher, er wird einen prima Verriss schrieben können. In der Zwischenzeit vergeude ich noch ein wenig meine Zeit.

Erscheinen bei de:bug, 24. September 2009 (R.I.P.)