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Der siebte Harry-Potter-Film bedeutet – im Gegensatz zu den Büchern von Joanne K. Rowling – nicht das Ende der Leinwand-Saga. Er ist nur der Anfang vom Ende, weil es neben dem letzten auch noch einen allerletzten Teil geben wird

Drei Jugendliche hocken in einem Zelt: ein Mädchen, ein grobschlächtiger Rothaariger und ein gescheit aussehender Bursche mit Brille. Um sie herum ein herbstlicher Wald, diesig und kühl. Die Zeit verrinnt zäh und ist klebrig wie Sirup, das Wetter macht keine Anstalten, besser zu werden. Szenen wie aus einem verunglückten Zeltlager.

So etwas drückt natürlich auf die Stimmung. Vor allem, wenn es sich um die Kernszenen im neuen Harry Potter handelt, in denen sich das Dreiergespann Harry, Hermine und Ron vor den Häschern Voldemorts versteckt, und in denen ihre Freundschaft auf eine ebenso harte Probe gestellt wird wie die Geduld des Zuschauers.

Kein Feuerwerk mit Butterbier

Regisseur David Yates, der auch schon die zwei vorherigen, nicht unbedingt besseren, aber bemüht erwachsenen Potter-Verfilmungen verantwortet, widmet sich verstärkt dunklen Stimmungsbildern. Dummerweise ist in der Ruhe vor dem Sturm, in der bekanntlich kein Lüftchen weht, auch sonst nicht viel los. Dabei ist sonst so einiges los im Grand Final der erfolgreichsten Kinderbuchserie der Welt.

Der mächtige Dumbledore ist tot. Der dunkle Lord Du weiß schon wer hat sich endgültig aus der Deckung gewagt. Schreckensmeldungen über Mugglemorde und verschwundene Zauberer füllen nun den Tagespropheten, das Bewegtbild-Boulevardblatt der Zauberwelt. Als auch Mad Eye Moody, der wild umherblickende Haudegen, bei einer Evakuierungsaktion Harrys getötet wird und das Ministerium in die Hände der Todesser fällt, existiert fortan kein sicherer Ort mehr für den Jungen, der lebte und die Seinen.

Schlimmer noch: Harry wird vom Zaubereiministerium zur Persona Non Grata Nummer Eins erklärt. Die Buchvorlage, das wusste jeder Potter-Kenner, gibt Yates keine Steilvorlage für ein kunterbuntes Feuerwerk mit Butterbier und Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung wie in den ersten drei Teilen. Es ist im ersten Abschnitt eine düstere Endzeitstimmung, im zweiten dann der apokalyptische Kampf zwischen Gut und Böse.

Aber die Luft steht größtenteils. Denn wo die heile Außenwelt nicht nur an der Fassade bröckelt, sondern zusammenbricht, lässt sich das Innenleben der drei Spätpubertierenden in dunklen Schattierungen zeichnen, quasi als Zusammenbruch im Kleinen. Und das gelingt sicherlich nicht schlecht. Man merkt, dass den Hauptdarstellern Daniel Radcliffe (Harry Potter), Emma Watson (Hermine Granger) und Rupert Grint (Ron Weasley) ihre Rollen an den Leib gewachsen sind. Kein Wunder, spielen sie doch die Dreierbande mittlerweile seit einem knappen Jahrzehnt, und damit mehr als die Hälfte ihres Lebens.

Die quängelige Eifersucht in Rons Gesicht, der sich immer mehr fühlt wie das dritte Rad am Wagen, die Verzweifelung von Hermine darüber, und die Ohnmacht Harrys, der nicht weiß, wie er die Horkruxe finden, zerstören und der Bedrohung durch Voldemort begegnen kann: Es liegt nicht an den jungen Schauspielern, dass der vorletzte Potter-Film zu den schwächeren der Reihe gehört.

Den Höhepunkt hinauszögern

Das hat eher was mit der Entscheidung zu tun, aus einem Film zwei zu machen und damit den Höhepunkt der Geschichte und den Abschied von der Kino-Zauberwelt noch ein wenig hinaus zu zögern. Im kladdendicken Begleitheft, das man uns Journalisten zur Pressevorführung aushändigte, liest es sich so: „ […] im siebenten Buch geht es nur um die Auflösung – jedes ‚i’ bekommt seinen Punkt, jedes ‚t’ seinen Strich.“ So die Worte des Produzenten David Borron. Und Hauptdarsteller Radcliffe sagt: „Wir hätten die Story nicht anders vervollständigen und angemessen abschließen können.“

Nun sind es tatsächliche viele Punkte und Striche, die ausgegeben werden müssen, weil es viele Fragen zu beantworten gibt: Was ist mit den Horkruxen, jenen magischen Artefakten, die als Voldemorts Seelenspeicher missbraucht wurden? Oder den titelgebenden Heiligtümern des Todes, drei legendären Zaubergegenständen, denen sich Voldemort bemächtigen möchte? Werden sich die Reihen der treuen Weggefährten Harrys noch weiter lichten und wer von den Todessern wird ins Gras beißen müssen? Oder, ganz banal: Kriegen sich die turtelnden Zauberteenies am Ende tatsächlich?

Das ist viel Stoff, selbst für 146 Minuten Film. So lange dauert nämlich der Anfang vom Ende. Ohne radikale Kürzungen wäre das nicht zu machen gewesen. Harry Potter, eben noch im Fuchsbau, nun schon fertig angezogen zum letzten Duell mit Voldemort auf der Hogwarts-Showbühne. The End. Abspann. Auch das: unpassend, und ein Ende mit Schrecken.

Jedes Epos sollte man zu einem anständigen Abgang verhelfen. Dem Publikum soll in einer Abfolge entschleunigter Schlussszenen genug Zeit gegeben werden, sich mit einem Klos im Hals von seinen Helden zu verabschieden, noch mal mit dem Taschentuch zu winken. In dem Bewusstsein, dass die Geschichte hier nicht weitergeht, sondern nur wiederholt werden kann. Das ist sehr löblich, aber in der Anwandlung, dem Monumentalen der Vorlage gerecht werden zu wollen, wurde übersehen, dass 146 Minuten für ein Buch vielleicht zu wenig, für ein halbes aber definitiv zu viel sind.

Straffen statt Verdoppeln

Dabei hätte man die Laufzeit des Films doch nur zu verlängern, die Dramaturgie noch ein wenig zu straffen brauchen. Eine Verdoppelung hingegen hätte nicht Not getan, denn gerade die schön eingefangenen Stimmungsbilder wurden irgendwann redundant. Da bestand eindeutig Kürzungspotential. Auch verlieren sich die so stramm gespannten Fäden der Erzählung, denen wir fieberhaft bis zum Ende folgen mögen, am Ende des Films schlaff im Nichts. Denn die erste Hälfte des Buchs bereitet den großen Knall, die Schlacht um Hogwarts, schlichtweg vor. Sinn ergibt diese Dramaturgie vor allem in einem zusammenhängenden Werk.

So bleibt der Film relativ spannungsarm und lässt sich nicht einmal zu einem wirklichen Cliffhanger hinreißen. Es gibt keinen wirklichen Höhepunkt, auf den er zustrebt – abgesehen von seiner Fortsetzung im Sommer, die dann hoffentlich nichts als ein einziger Höhepunkt sein wird. An ihr liegt es, mit Pauken und Trompeten das Gefühl zu überspielen, einem dunklen Plätschern beigewohnt zu haben.

Erschienen bei gamona.de