"Star Wars sehe ich mir
nicht mehr an"
Kleiner Tipp am Rande, wenn ihr das nächste Mal Harrison Ford treffen solltet: Stellt ihm besser keine dummen Fragen.
„Mister Ford, würden Sie lieber in einem Western oder in der Zukunft leben?“ Wenn ihr das nächste Mal Harrison Ford treffen solltet: Sprecht ihn nicht auf Han Solo oder Indiana Jones an. Vor allem: Stellt ihm keine dumme Frage. Er wird zu Recht lange und vorwurfsvoll schweigen und euch beschämen, weil er ernst beantwortet, was lustig gemeint war. Ja, Harrison Ford ist ein ernsthafter Interviewpartner. Hier könnt ihr lesen, wie zehn Journalisten in 20 Minuten (das ist üblich bei großen Hollywood-Stars) alle oben genannten Fehler begehen konnten. Und noch viele mehr…
Mister Ford, hier haben Sie nun die einmalige Gelegenheit, uns zu zeigen, was für ein großartiger Reiter Sie sind.
Nicht nur Ford ist verdutzt. Soll er seinen Stuhl die Sporen geben und einmal um den Tisch hoppeln? Wir warten auf eine Reaktion, darauf, dass er diese einmalige Gelegenheit nutzt. Tut er aber nicht, kein Hoppeln, stattdessen Schweigen. Ford sammelt sich, dann spricht er gaaaaaaaaanz langsam.
Harrison Ford: Ich bin nicht hier, um Ihnen meine Reitkunst zu beweisen. Ich bin hier, um Ihnen meine Figur näher zu bringen, die wohl sehr typisch für den Wilden Westen ist. Und auch sehr hilfreich, um eine gute Geschichte zu erzählen. Aber in der Tat: Ich liebe es, draußen zu sein und auf einem Pferd zu sitzen.
Er verleiht jedem Wort Gewicht. Aber hier klingt das fast ein wenig spöttisch.
Dann reden wir doch über Ihre Figur. Ist Colonel Dolarhyde ein guter Vater?
Harrison Ford: Nein! Seine Natur verbietet es ihm. Seine persönliche Schwäche und Nachsicht für Grausamkeiten verbieten es ihm. Macht. Weil er es nicht schafft (er seufzt einen langen Seufzer), ein angemessener und fürsorglicher Vater zu sein. Der beste Beweis dafür ist doch der Sohn. Der ist ein Rüpel, ein Trunkenbold und ein Idiot. Und das alles fällt wieder auf den Vater zurück.
Kein Wunder, ist der Vater ist ja auch ein unsympathischer Klotz.
Harrison Ford: Was wohl einer der interessantesten Wesenszüge der Figur ist. Denn trotzdem verbindet den Zuschauer im Laufe der Geschichte etwas mit Dolarhyde. Das führt nicht unbedingt dazu, dass er wirklich sympathisch wird, allerdings bemerkt man eine Gemeinsamkeit: eine gewisse Menschlichkeit. Und Gefühle sind die Sprache des Films. Eine Figur, die den Zuschauern die Gelegenheit gibt, sich emotional zu betätigen, ist also genau die Figur, die ich spielen will.
Und doch haben Sie anfangs gezögert, in „Cowboys & Aliens“ mitzuspielen. Was hat Sie umgestimmt?
Harrison Ford: Zuerst habe ich nur etwa 30 Seiten des Skripts gelesen. Ich habe nicht verstanden, wohin die Figur des Colonels sich noch bewegen und welche Wendung die Geschichte nehmen wird. Aber als ich mich mit Regisseur Jon Favreau traf, war er sehr darum bemüht, dem Film eine Tonalität zu verleihen, die ich nicht erwartet habe. Zwei Lieder können dieselben Worte benutzen, und trotzdem kann es sich dabei um ganz unterschiedliche Musik handeln. Nachdem ich mit John geredet und das Skript auch zu Ende gelesen habe, habe ich begriffen, dass es ihm ein Anliegen war, einen ernsten Ton beizubehalten und einen seriösen Western zu drehen. Und nicht eine ironische Comic-Verfilmung. Und im Kontext eines Westerns passieren zwar außergewöhnliche Dinge, aber die eigentliche Form des Genres bleibt doch erhalten.
Ähnlich wie in Ihrem letzten Film, Morning Glory, ist Ihre Figur ein grummeliger Mann, dessen langsame Wandlung man beobachten kann. Warum bekommen Sie solche Rollen angeboten?
Es folgt ein 25 Sekunden langes, leicht vorwurfsvolles Schweigen.
Harrison Ford: Es könnte meine eigene Entscheidung gewesen sein, diese Figur so zu spielen. Vielleicht gibt es auch einen anderen Weg, diese Figur zu spielen. Und natürlich ist auch mein Alter für bestimmte Rollen ausschlaggebend.
Macht es in Ihrem Alter denn immer noch so viel Spaß, Filme zu drehen, wie am Anfang Ihrer Karriere?
Da ist sie, die erste Frage, die suggeriert, der Mann würde auf die Zielgerade seines Lebens einbiegen. Dabei ist Ford alles andere als ein frühzeitig vergreist.
Harrison Ford: Vielleicht macht es sogar noch mehr Spaß als früher. Ich weiß mehr über das Filmemachen als früher. Ich sehe das Filmemachen als ein Handwerk an. Je mehr du dir dieses Handwerk aneignest, desto mehr Spaß kannst du haben. Ich hatte aber schon immer Spaß daran, mich zu verkleiden und zu tun als ob, zu spielen. Allerdings ist es heute zielgerichtetes und ernstes Spiel. Trotzdem ist es nichts anderes als Grimmassen ziehen.
Sind Sie denn gespannt darauf, was die Zukunft noch alles bringen wird?
Harrison Ford: Ich bin gespannt darauf, was die Gegenwart bringt. Und wie sie sich auf die Zukunft auswirkt. Aber ich bin kein Futurist. Ich interessiere mich für Wissenschaft und Wirtschaft und Politik, aber mein Fokus liegt nicht darauf, was in 20 oder 30 Jahren sein wird.
Lernt man als alter Sethase eigentlich noch was dazu?
Jetzt ist auch mir nichts Besseres eingefallen. Also machen wir daraus eine Reihe und nennen sie „Vorteile des Älterwerdens“. Es folgt Punkt 1: Die Erfahrung.
Harrison Ford: Sicher. Es wäre schlimm, wenn das nicht der Fall wäre. Man muss immer weiterlernen. Eine Sache, die mich dazu gebracht hat, zu fliegen, war, dass ich für lange Zeit nichts Neues gelernt hatte. Ich wollte etwas komplett Neues lernen, und Fliegen hatte nichts mit meiner Arbeit zu tun.
Warten Sie denn noch auf eine Rolle, gibt es etwas, was Sie noch einmal spielen wollen?
Vorteile des Älterwerdens, Punkt 2: Eine To-do-Liste anlegen.
Harrison Ford: Nein, es ist jetzt nicht so, dass ich auf meinen Hamlet warte oder auf meinen König Lear.
Das haben Sie ja auch schon. Schauen Sie sich noch manchmal Indiana Jones an…
Harrison Ford: Nein.
… oder Star Wars…
Harrison Ford: Nein. Nein. Nie. Ich weiß doch, wie die Filme ausgehen.
Haben Sie einen Lieblingswestern, den Sie immer und immer wieder gesehen haben?
Alle sind schon leicht verzweifelt, denn jetzt kann man die ganzen Folgefragen auch getrost in die Tonne kloppen.
Harrison Ford: Nein, den habe ich nicht. Ich gehe nicht sehr oft ins Kino, das war auch früher schon so, auch da bin ich nicht wirklich oft ins Kino gegangen.
Ihre Set-Kollegen Olivia Wilde und Daniel Craig haben erzählt, sie seien ganz aufregt gewesen, mit Ihnen zu drehen. Passiert Ihnen das häufiger, dass junge Kollegen vor Ehrfurcht erstarren?
Vorteile des Älterwerdens, Punkt 3: Der Respekt der nachfolgenden Generation.
Harrison Ford: Wenn es überhaupt da ist, dann überwinden sie das sehr schnell. Sie lernen mich ja auch nicht als Statue kennen, die in einer Ecke steht. Sondern als einen Kollegen. Aber die beiden haben das auch nur gesagt, um mir vor Ihnen zu schmeicheln. Man bekommt kein Geld, wenn man am Set vor Ehrfurcht erstarrt.
Gab es denn auch nicht jemanden, den Sie bewunderten, als Sie ein junger Schauspieler waren?
Vorteile des Älterwerdens, Punkt 4: Menschen kennen, die ähnlich lange tot sind wie Julius Cäsar.
Harrison Ford: Doch, es war Alec Guinness. Ich habe dann etwas Zeit mit ihm verbracht, und dann ging das weg. Bei mir war es aber auch ein sehr spezieller Fall, weil Alec die ersten Stunden, in denen ich ihn überhaupt kannte, mir dabei geholfen hat, ein Appartement in London zu finden. Er war ein sehr herzlicher und großzügiger Mensch. Und ich war sehr jung und ein wenig überfordert.
Sie haben gesagt, Sie betrachten Schauspiel als ein Handwerk. Was hat sich denn mit der Zeit verändert, dass Sie das Handwerk nun besser beherrschen?
Harrison Ford: Ich denke, ich kenne nun geschickter mit den mir zu Verfügung stehenden Werkzeugen um. Ich weiß, welche Werkzeuge ich wie benutzen muss. Ich bin ausgeglichener und konzentrierter. Erfahrung und auch Fehler sind gute Lehrer. Aber irgendwann geht das Filmemachen in einen über, weil es ein Teil von dir wird, es ist verflochten mit deinem Gewebe, es prägt sich ein in deinem motorischen Gedächtnis.
Wenn Sie in Ihrem Flugzeug sitzen und fliegen, sind Sie dann auch ähnlich überwältigt wie Antoine de Saint-Exupéry?
Vorteile des Älterwerdens, Punkt 5: Sofort wissen, welcher Schriftsteller gemeint ist.
Harrison Ford: Ja, ich denke, es sind ganz ähnliche Emotionen. Nur fehlen mir die Mittel, sie äquivalent auszudrücken.
“Cowboys & Aliens” – Kinostart: 25. August 2011
erschienen auf gamona.de