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Bitcoin ist virtuelles Geld, das die Welt verändern könnte. Es ist unabhängig von Staaten, Banken und ihren Krisen. Aber noch ist Bitcoin weitgehend unbekannt. Der Berliner Gastronom Jörg Platzer will das ändern.

Das Room 77 in der Graefestraße in Kreuzberg ist ein moderner Burgerladen. Darüber können auch die Retro-Bestuhlung und die Swingmusik, die aus den Lautsprechern dudelt, nicht hinwegtäuschen. Denn hier kann man seine Fleischbrötchen nicht nur in Euro bezahlen. Auf einem unauffälligen Zettel an der Bar steht: We accept Bitcoin.

Daneben hängt ein bierdeckelgroßer Strichcode für Handykameras. In dessen Dalmatinermuster ist eine Art Kontonummer eingearbeitet. Bitcoin ist alternatives Datengeld. Man zahlt mit dem Laptop oder einer Smartphone-App. Bislang ist es eher bei Programmierern, Hackern und Crackern bekannt. Aber wenn es nach Pionieren wie Jörg Platzer geht, soll es bald weit mehr Menschen erreichen und mehr Relevanz erhalten.

Platzer, Miteigentümer von Room 77, ist einer der Pioniere dieses neuen Zahlungssystems in Berlin. „Ich habe noch von einer vegetarischen Bar und zwei Saunaclubs in Schöneberg gehört, da kann man angeblich auch mit Bitcoin zahlen“, sagt der 44-Jährige. „Es ist eine Technologie, die erst an ihrem Anfang steht und sich in den nächsten zehn Jahren entwickeln wird.“

Die Erscheinung von Platzer ist elegant, dem ersten Anschein nach ein typischer Szene-Gastronom. Der revolutionäre Geist und die nerdige Begeisterung, die ihn antreiben, überraschen da fast ein wenig: „Bitcoin wird sich als alternative Währung etablieren. Und dann brauchen wir keine Banken mehr.“ Ein Satz, den man eher von einem Occupy-Aktivisten erwartet. Aber Bitcoin ist, anders als Paypal, mehr als nur eine Technologie, die bargeldloses Bezahlen im Web möglich macht. Es ist eine eigene Währung, und auch ein bisschen eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen.

Kein Wunder, dass die Vertreter des Finanzmarkts gegen Bitcoin wettern. Der Bundesverband der digitalen Wirtschaft glaubt gar, die Währung sei für die Gesellschaft nachhaltig schädigend. Schließlich könne mit Bitcoin keine Regierung mehr die Druckerpressen anwerfen und neues Geld in das System pumpen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Platzer schüttelt darüber nur den Kopf: „Mit Bitcoin hat ein Staat nicht mehr die Macht, eine Währung zu deflationieren.“ 

Dienstleitungen, die mit Bitcoins bezahlt werden, gehen an den Finanzämtern vorbei, solange sie den Kreislauf nicht verlassen und in Euro umgetauscht werden. Demzufolge können Bitcoins ein Steuer-Schlupfloch sein. Bitcoins werden dadurch nicht illegal, aber die Finanzämter haben weder einen Zugriff noch eine einheitliche Regelung.

Auch einige amerikanische Politiker beobachten Bitcoin kritisch. Ihnen geht es dabei eher um die „Seidenstraße“, einen Internet-Marktplatz, auf dem man Drogen kaufen und moralisch fragwürdige Dienstleitungen in Anspruch nehmen kann. Datenschützer wiederum misstrauen der Einsehbarkeit aller Bezahlungen. Zudem sind da die Sicherheitsbedenken und die Frage: Kann man einer rein virtuellen Währung überhaupt vertrauen? Clemens Cap, Professor für Informatik an der Uni Rostock, meint: „Bitcoin ist sicher – nur die Computer, auf denen wir Bitcoins verarbeiten oder speichern, die sind es oft nicht.“

Die Ausgabe von Geld ist bislang ein Monopol von Fürsten und Regierungen gewesen. Hinter Bitcoin steckt indes kein Staat und auch keine Bank, sondern ein Unbekannter mit dem Namen Satoshi Nakamoto. Schnell wurde vermutet, dass der Name auch für eine Gruppe stehen könnte. 2008 hat Nakatomo ein Paper ins Internet gestellt, das die Idee von Bitcoin skizzierte: eine dezentrale Bürger-Währung, die sich durch ihre Programmstruktur selbst vor Inflation schützt. Kurze Zeit später ließ er dem theoretischen Anriss seiner Idee einen Programmcode folgen. „Bitcoin kann die Landschaft des digitalen Gelds revolutionär verändern“, sagt Professor Cap. „Anders als alle anderen Formen von Währungsaustausch bedarf es nicht einzelner Stellen, denen man Vertrauen muss.“ Etwa den Geldinstituten.

Doch um Bitcoin zu vertrauen, sollte man in etwa verstehen, wie eine Transaktion funktioniert: Wer im Room 77 seinen Chilliburger zahlen möchte, eröffnet kein Konto. Stattdessen lädt er ein Programm herunter, das einer digitalen Geldbörse gleicht. Diese speichert die Zugangscodes zu den Bitcoins, die im weltweiten Netz auf tausenden Rechnern abgelegt sind. Verliert man sie und ihre Sicherungskopie, dann ist das Geld weg. So als würde man eine Brieftasche verlieren.

Anstatt einer Kontonummer gibt es eine verschlüsselte Zeichenfolge für jede Wallet. Eine solche hängt auch neben der Bar im Room 77. Mit dieser digitalen Signatur wird jede Transaktion „unterschrieben“. „Man kann auch nachts einen Betrag in Euro von Berlin nach New York überweisen, der dort in Dollar umgewandelt wird, und das ohne die dafür sonst üblichen Gebühren zahlen und Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen“, erklärt Platzer. „Die Transaktion ist kurze Zeit später für alle Zeiten und alle Teilnehmer einsehbar.“

Die Bezahlungen erfolgt nicht anonym, sondern nur pseudonym. Bitcoins werden aus dem Nichts heraus erschaffen. So wie geschürftes Gold, das dem Markt zugeführt wird. Jede Transaktion wird von einem Netzwerk geprüft. Es ist, als wohnten 50.000 Augen einem Geldwechsel bei. Auf diese Weise werden dem System kontrolliert und kontinuierlich frische Devisen zugeführt. Das sind nur wie wichtigsten Besonderheiten. „Man kapiert das nicht so richtig, außer man beschäftigt sich damit“, sagt Platzer. „Aber wenn wir einmal ehrlich sind: Den herrschenden Finanzmarkt verstehen auch die Wenigsten.“

Erschienen in: Zitty Berlin, April 2012