Mit dem Musikspiel Rocksmith wagt sich der Unterhaltungskonzern Ubisoft in ein Niemandsland. Denn die Ära der Plastikgitarren ist eigentlich vorbei. Vor ein paar Jahren noch galten Guitar Hero oder Rock Band als Hoffnungsträger. Die Gamesbranche glaubte, einen Weg gefunden zu haben, mit dem sie die Musikbegeisterung der Menschen anzapfen, neue Zielgruppen gewinnen und massenhaft Lieder verkaufen kann. Doch der Rausch verebbte bald, als zu viele Ableger der Schlagzeug-, Gitarren- und DJ-Spiele den Markt fluteten.
Trotzdem sind die Erwartungen an Rocksmith hoch. Das liegt daran, dass die bisherigen Musikspiele ein Versprechen nie erfüllt haben: Man lernt auf ihnen nicht, ein Instrument zu spielen.
Wer die höheren Schwierigkeitsstufen von Guitar Hero meistert, schult vielleicht Fingerfertigkeit und unter Umständen auch sein Rhythmusgefühl. Aber wie man vibrierende Saiten mit dem Handballen dämpft oder einen Barré-Akkord greift, lernt derjenige nicht.
Rocksmith dagegen will dem Spieler die Grundlagen des Gitarrenspiels beibringen. Und das klappt tatsächlich ganz gut, wenn auch mit Abstrichen.
Noten wandern auf den Spieler zu
Gespielt wird mit einer herkömmlichen E-Gitarre oder einem E-Bass. Das Spiel plus eine Anfängerklampfe gibt es ab 179 Euro. Um letztere an eine Spielkonsole oder den Computer anzuschließen, wird ein Kabel mit integrierter Audio-Schnittstelle mitgeliefert. Das ist mit einem 6,3 Millimeter-Klinkenstecker und einem USB-Stecker versehen. (Getestet wurde das Spiel mit einer Fender Stratocaster, angeschlossen an eine analoge Hi-Fi-Anlage.)
Bei den Liedern handelt es sich um Originalsongs, über die der Spieler mit dem passend simulierten Gitarrensound eine zusätzliche Spur legt. Insgesamt bietet Rocksmith 55 Stücke an, vor allem aus den Bereichen Rock und Indierock.
Das Interface von Rocksmith besteht aus einem Laufband, auf dem die zu spielenden Noten vom Bildschirmhintergrund nach vorne gereicht werden. Damit ist es dem Aussehen von Guitar Hero nicht unähnlich. Zusätzlich dazu werden im Vordergrund des Bildschirms Bünde und farbig markierte Saiten angezeigt. Auch die vier Bünde, auf denen die Finger der Greifhand liegen sollen, sind farbig unterlegt. Kleine Pfeile weisen darauf hin, wenn man sich vergriffen hat.
Der Schwierigkeitsgrad passt sich dabei dynamisch den Fähigkeiten des Spielers an. Die ersten Takte eines Liedes etwa verlangen nur, die richtigen Bünde zu treffen und hin und wieder die E-Saite mit dem Plektron anzuschlagen. Irgendwann kommt die A-Saite hinzu. Dann wollen mehr Noten und weitere Saiten in schnellerem Ablauf gespielt werden. Es folgt der erste größere Bundwechsel. Die Kamera zoomt raus und landet eine halbe Oktave weiter oben.
Verspielt man sich zu häufig, korrigiert sich der Schwierigkeitsgrad wieder nach unten. Nach und nach lernt man einzelne Noten und Akkorde in Kombination, dazu auch Soloparts. Je besser man wird, desto weniger abstrakt ist die Notierung.
Songs werden so lange im Modus „Proberaum“ gespielt, bis sie einigermaßen unfallfrei sitzen und der Spieler sich für einen „Gig“ qualifiziert. Eine manuelle Einstellung des Levels ist leider nicht möglich. Das erschwert den Wiedereinstieg in einen Song, den man eine Weile nicht gespielt hat.
Gerade am Anfang ist es auch schwierig, alle Manöver auch motorisch nachzuvollziehen. Man muss sich zwingen, die Augen nicht nur auf den Bildschirm zu richten, wie man es von Computerspielen gewohnt ist, sondern ebenso auf den Gitarrenhals.
Gitarre stimmen nervt
Neben dem typischen Storymodus, der eine Rockstar-Karriere erzählt, existiert ein freier Modus, in dem alle Lieder nach Belieben gespielt werden und einzelne Parts geübt werden können. In einem – noch freieren – Amp-Modus verwandelt sich die Konsole in einen Verstärker. Hier können Gitarrensounds und Effekte ausprobiert werden.
Gitarren-Techniken wie Bending oder Hammer-Ons werden dem Spieler in knapp 50 Videos und anschließenden Übungen erklärt. Die Übungen sind jedoch recht kurz, man sollte sie mehrmals hintereinander spielen, um einen Fortschritt zu erzielen. Die Ladezeiten dazwischen und das vor jedem einzelnen Durchgang stattfindende Stimmen des Instruments sind allerdings auf die Dauer nervtötend.
Weitere Techniken werden in acht freischaltbaren Mini-Games geprobt. In „Super Ducks“ muss der Spieler Enten abschießen, die ihm auf den verschiedenen Bünden entgegenkommen, indem er die richtige Saite auf dem jeweiligen Bund anschlägt. Andere Spiele üben Tremolo-Techniken oder Akkorde.
Das alles ist nicht schlecht, doch bleiben viele Fragen ungeklärt. Harmonielehre, Grundlagen des Notenlesens oder Anschlagtechnik thematisiert Rocksmith nicht. Das Spiel ist daher kein Ersatz für richtige Musikstunden bei einem Lehrer. Es ist höchstens eine Ergänzung, die einen Einstieg vermitteln und Autodidakten unterstützen kann.