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Der Master Chief ist weder knuddelig noch sexy noch besonders humorig. Er hat nicht einmal ein Gesicht, ihn ziert lediglich ein verspiegeltes Helmvisier. Auch die Geschichte der Space-Opera Halo ist eher unlustig, und zudem auch noch furchtbar kompliziert und wenig einsteigerfreundlich.

Trotzdem wird deren Hauptfigur, diese Ein-Mann-Armee im Kampfanzug, von Millionen von Gamern geliebt. Sie steht auf einer Stufe mit Super Mario, Lara Croft oder Gordon Freeman aus Half Life. Mehr als drei Milliarden Dollar haben die Egoshooter-Reihe und ihr Merchandise-Appendix bislang eingespielt.

Kein Wunder also, dass sie fortgesetzt wird. Der nun erschienene Teil ist der erste einer neuen Trilogie.

Wieder heißt es Menschheit versus Aliens. Beiden Seiten geht es um die Halos, das sind gigantische Weltraum-Ringe, erbaut von einer ausgestorbenen Zivilisation, den Blutsvätern. Die theokratische Alien-Allianz will die Halos aktivieren, denn ihre Anführer glauben, es sei ein finales Ritual, um Eingang ins Alien-Paradies zu finden. Die Menschen wiederum sind nicht so scharf aufs Himmelreich, sie wissen: Halos wurden als ultimative Waffen gegen eine parasitäre Lebensform erbaut. Ein aktiviertes Halo tötet alle potenziellen Wirte – ergo alles Leben im Universum. So weit, so gut.

Neue Gegner

Teil vier nun setzt diese episch-verwirrende Geschichte fort. Die beginnt auf dem Wrack des Raumschiffs Forward Unto Dawn und führt den Master Chief im weiteren Verlauf auf einen Planeten der Blutsväter. Dort trifft der genetisch manipulierte Supersoldat – zu Fuß und in diversen Fahr- und Flugzeugen – neben den bereits bekannten Gegnern auf eine ganz neue Spezies.

Die Prometheaner sind Elitekrieger der Blutsväter und bevorzugen laut der deutschsprachigen Fan-Wikia ein ruhiges Leben, können aber den Schädel eines Menschen mit bloßen Händen zertrümmern. Sie werden außerdem durch einen fliegenden Begleiter mit einem Kraftfeld geschützt und erfordern allein deshalb eine etwas andere Kampftaktik.

Der Spieler kann nur zwei Waffen gleichzeitig tragen, dafür aber eine Sonderfähigkeit einsetzen, etwa ein Hartlicht-Schild, einen Tarnmodus, eine Flugdrohne oder eine Art Infrarot-Sicht, mit der Gegner auch hinter Wänden und Felsformationen wahrgenommen werden können.

Detaillierte Grafik

Die Marke setzt traditionell auf einen hochgelobten Mehrspielermodus. So auch der neuste Teil. Kooperativ können vier Spieler miteinander die Kampagne, also die Geschichte, auf ihren Nebenschauplätzen weiterspielen, anstatt sich ausschließlich gegenseitig um einer Flagge willen abzuknallen. Das geht aber natürlich auch.

Die Grafik des Spiels ist, anders war es kaum zu erwarten, angeberisch detailliert. Zu jeder erdenklichen Situation flackert Licht, schlagen Funken und schwirren Partikel durch die Kulissen. Die futuristischen Waffengeräusche sind ebenso hollywoodreif wie der Soundtrack des Spiels.

Halo erscheint nicht für Sonys Playstation oder die Wii-Konsole von Nintendo. Auch eine PC-Version wird es nicht geben. Es war immer schon das Vorzeigespiel für Microsofts Xbox. Aus der nun schon arg in die Jahre gekommenen Hardware lässt sich mehr wohl kaum herausholen.

Das Design der Level allerdings ist ein wenig enttäuschend. Es sieht aus wie ein Potpourri der besten Halo-Momente. Zerklüftete Planetenoberfläche? Check. Raumstation? Check. Urwald? Die Kulissen sind etwas einfallslos. Abwechslung gibt es dafür bei den Waffen, auch wenn sich dabei oft um Variationen bestehender Modelle handelt.

Umso verwirrender ist die Geschichte. Wer die Spiele durchgespielt hat, ist keineswegs ein Halo-Experte. Ergänzend sollte man zumindest die Comics durchblättern, die Romane lesen, die Kurzfilmen und Animes ansehen. Erst dann eröffnet sich womöglich, warum die Reihe so erfolgreich ist. Allein am ersten Tag wurden gerade mehr als drei Millionen Exemplare verkauft.

Aufwändiges Marketing

Wobei Microsoft viel Geld in die Werbung gesteckt hat. Es wurden kostspielige Premieren-Events abgehalten, mit Pyroeffekten, Original-Fahrzeugen und Schauspielern in Ganzkörperverschalung. Dabei ist Europa weit davon entfernt, so Halo-begeistert zu sein wie die USA. Gerade in Deutschland verkaufen sich herkömmliche Militär-Shooter weitaus besser. Was viele Deutsche trotzdem nicht davon abgehalten hat, sich das Spielvorab aus dem Netz zu ziehen. Sehr zum Verdruss von Microsoft.

Letztlich tut sich bei der Serie ein komplexes Universum auf, vollgestopft mit unendlich vielen, für die Spielmechanik meist eher irrelevanten Details, über die es sich jedoch herrlich streiten lässt. Das ist im vierten Teil nicht anders.

Wie insgesamt wenig Neues gewagt wurde. Das liegt womöglich auch daran, dass nicht mehr Bungie, sondern erstmals 343 Industries für die Entwicklung verantwortlich ist und der kritischen Masse der Fans und Fanboys zeigen wollte, dass die Serie in guten Händen ist und die Erwartungshaltungen erfüllen wird.

Und das tut sie sicherlich. Halo 4 ist ganz und gar wie seine Vorgänger. Wer die Hintergrund-Story nicht kennt, lässt sich zwar von Schalter zu Schalter scheuchen, ohne den blassesten Schimmer zu haben, was die ganze Aufregung soll. Aber das lustvolle Geballere auf Grunts, Bruts und die brennenden Schoßhunde der Prometheaner macht trotzdem Spaß. Auch ganz ohne Kontext.

Erschienen auf Zeit.de