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Stellt euch vor, es ist Krieg, und keiner macht sauber. Das ist der Kerngedanke des Computerspiels „Viscera Cleanup Detail“, einem Hausmeister-Simulator, der den Arbeitseinsatz auf einer Raumstation nachstellt. Eigentlich handelt es sich gar nicht um ein fertiges Computerspiel, nur um einen Serviervorschlag – vier Level, die man kostenlos ausprobieren kann. Aber die Community von Steam, einem Online-Kaufhaus für Computerspiele, war begeistert von der putzigen Idee. Nun wird das Spiel entwickelt.

Alles begann Ende Juni nahe der südafrikanischen Hafenstadt Durban. Die drei Brüder Nolan, Arn und Logan Richert hatten soeben ihr neues Spiel „Rooks Keep“ veröffentlicht – eine eigenwillige Mischung aus Fantasy-Action und Schach. Bei einem gemeinsamen Abendessen fragten sie sich, wie es jetzt weitergehen solle mit ihrem kleinen Familienbetrieb Runestorm. Dann hatten sie die zündende Idee.

„In einem typischen Science-Fiction-Shooter schießt man sich durch Horden von Aliens“, sagt Arn Richert. „Aber was passiert anschließend mit ihren Überresten? Wer macht die Sauerei weg, wenn wir Spieler bereits im nächsten Spielabschnitt sind?“ Die logische Antwort auf die in vielerlei Hinsicht hypothetische Frage: andere Spieler natürlich. Es war die Geburtsstunde von „Viscera Cleanup Detail“, dem Tatortreiniger der First Person Shooter.

Bewaffnet mit einem Feudel

Schnell wurden ein paar spielbare Level zusammengeschustert: Eine x-beliebige Raumstation, wie man sie vielleicht aus Spielen wie „Doom 3“ oder „Dead Space“ kennt. Ein paar Halogenleuchten, dazu vergitterte Lüftungsschächte, futuristische Armaturen und eine Maschine, die volle Wassereimer in die Station beamt, fertig.

In der Egoperspektive, bewaffnet mit einem Feudel, entfernt man als Space-Station-Hausmeister Blutlachen vom Boden und rote Spritzer von den Wänden. Die Überreste der erlegten Kreaturen – selten mehr als undefinierbare Fleischbrocken – gehören in den gelben Gefahrengut-Eimer. Trieft der Wischmob vor Blut, wird er ausgewaschen. Ist das Putzwasser verschmutzt, muss neues her. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Reinigung von Sciene-Fiction-Schlachtfeldern also nicht von einem gründlichen Frühjahrsputz. Nur, dass einem zuhause die fehlende Schwerkraft keinen Strich durch die Rechnung machen kann.

Und es gibt unzählige Simulationen, die triste Alltagshandlungen per Gameplay spaßig machen wollen. Da sind der Landwirtschaftssimulator, der Stadtbahnsimulator Düsseldorf, der Flughafen-Feuerwehr-Simulator und der Kehrmaschinen-Simulator. Fast alle kommen aus Deutschland, sie werden entweder belächelt oder heiß und innig geliebt. Der Raumstation-Hausmeister-Simulation ist deswegen ein Seitenhieb auf gleich zwei Computerspiel-Genres, auf die grotesken Simulationen und die zahlreichen Weltraumshooter.

Den Rohentwurf von „Viscera Cleanup Detail“ luden die Richerts auf die Internet-Vertriebsplattform Steam. Dort können Computerspiele gekauft und sofort heruntergeladen werden. Zudem funktioniert es wie ein soziales Netzwerk für Gamer. Neben den Blockbuster-Titeln großer Publisher wie Activision oder Ubisoft, die es dort auch gibt, hat sich Steam zu einer beliebten Einkaufslandschaft für Indiegames entwickelt. Unabhängige kleine Studios können hier Spiele verkaufen, für die sich keine breite Käuferschicht findet.

Aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten rechneten sich Indiegames für die Soft- und Hardwareriesen lange Zeit nicht, sondern dienten eher der Imagepflege. Doch der Markt ist größer geworden und weniger betreuungsintensiv. Microsoft hat angekündigt, die Schnittstellen der Xbox One für die kreative Ideen der Hobby-Entwickler zu öffnen. Ein offener Marktplatz ist geplant, als Vorbild dienen Apples Verkaufsplattformen. Sony setzt hingegen auf das Gießkannenprinzip und unterstützt einzelne Projekte, die vielversprechend erscheinen.

Freiwillig putzen

Valve, der Betreiber von Steam, geht noch einen Schritt weiter und lässt die Kundschaft mitbestimmen, bei welchen Spielen Geburtshilfe geleistet werden wird. Auf Steam Greenlight können Gamedesigner Ideen pitchen, ähnlich wie sich Werbeagenturen um einen Auftrag bewerben. Anschließend stimmt die Community ab. Findet ein Vorschlag genügend Befürworter und damit potentielle Käufer, bekommt er grünes Licht und kann in Produktion geben. „Viscera Cleanup Detail“ ist derzeit eines von 90 Spielen in Vorbereitung, 50 Spiele sind bereits veröffentlicht worden.

Die Spielergemeinschaft freut sich derweil auf den bevorstehenden Release. Es gibt viele Vorschläge, wie man das Spiel erweitern kann. Manche wünschen sich Monster, die vor den Kämpfen fliehen konnte und sich nun an das Putzpersonal heranmachen. Andere freuen sich über den nerdigen Humor: „Das macht überhaupt keinen Sinn. Ich liebe es“. Ein Nutzer namens dAmihl prophezeit, er sehe bereits „all die Mütter da draußen wahnsinnig werden, weil ihre Kinder freiwillig in einem Computerspiel putzen, aber nicht ihr Zimmer aufräumen.“ Noch befindet sich das Spiel in einer frühen Version. Frühestens in ein paar Monaten werden Gamer auf der ganzen Welt ihrem digitalen Putzfimmel frönen dürfen.

 

Erschienen auf sueddeutsche.de